Morgens in Pai

01. Februar

Guten Morgen, diesmal aus Pai noch weiter im Norden Thailands und recht nah an der burmesischen Grenze. Boker tov könnte ich auch wieder sagen, hinter mir hebräelts erneut heftig. Chiang Mai war nett, aber eindeutig zu voll. Ich lasse mich lieber nicht aus über die chinesischen Touristen, das würde zu böse werden und bestimmt auch nicht allen gerecht werden, aber meine Lust, jemals China zu besuchen, tendiert gen Null.P1070617

Pai ist aber auch ein touristisches Phänomen. Da haben sich irgendwann vor vielen Jahren einige Hippies hier niedergelassen, die Opiumkultur Nordthailands hat bestimmt dazu beigetragen, und jetzt ist mitten in den Reisfeldern eine Touriort entstanden, der ganz schön bezeichnend für die Backpackerkultur ist. Man kann sich noch lebhaft vorstellen, wie die Rucksackreisenden vor 30 Jahren in kleinen hölzernen Bungalows ohne Strom hier bei den Einheimischen unterkamen, das ein oder andere Pfeifchen mit den Dorfbewohnern zu sich nahmen und einfach rumhingen. Dann kamen immer mehr, Guesthouses und kleine Bungalowanlagen entstanden, nicht mehr nur Westeuropäer und Amerikaner reisten, sondern auch die Israelis, dann kamen die Japaner und die Osteuropäer dazu und jetzt eben die Chinesen, und jede Gruppe wollte ihre eigene Infrastruktur. So ist es mittlerweile vollkommen unproblematisch, Falafel oder Sushi zu bekommen, in manchen Straßen sieht man mehr hebräische Schriftzeichen als thailändische und die meisten Restaurants haben chinesische Speisekarten. DIe Traveller heute und hier in Pai fahren alle Motorrad, sie sind tätowiert oder geben hier den letzten Widerstand dagegen auf, P1070619Rastafrisuren aller Art sind wieder im Kommen, die noch so hässlichsten Pumphosen mit Batikmuster sind der Renner, alle sind aber modern vernetzt, ein Guesthouse ohne Wifi ist chancenlos, und dann sitzen sie abends mit ihren Macbooks und IPhones auf der Veranda, skypen und facetimen. Tja, mache ich es anders? Motorrad nein, ich will ein Fahrrad, irgendwie muss ich doch wieder fit werden, und in Chiang MAi machte es viel Spaß, durch die Straßen der Altstadt zu radeln. Tattoo? Never! Rasta sowieso nicht und Pumphosen maximal für Yoga, aber dann nur in weiß. Guesthouse ohne Wifi? Ne, das wär schwierig, Macbook und IPhone wollen ja ins Internet, damit ich facetimen kann. Also, ganz außen vor bin ich sicherlich nicht und mir macht es auch durchaus Spaß, in den netten Hippiecafes zu sitzen und wie jetzt köstlichen Mango-Maracuja-Kokosshake zu trinken. Ich bin wahrscheinlich eher das, was mittlerweile als Flashpacker bezeichnet wird, etwas mehr Komfort, etwas weniger abgewrackt, aber gerne immer mal wieder ein wenig Teil der Travellerszene. Wen’s interessiert, diesen Artikel fand ich da ganz nett. Nur: einen Trolley werde ich mir nicht zulegen, das geht über meine Backpackerehre.

Ich wohne etwas außerhalb von Pai in einem hölzernen Bungalow, allerdings mit Strom, einem harten, aber bequemen und riesigen Bett, einem kleinen Badezimmer und einer schönen Terrasse mit Blick auf Reisfelder. So wirklich idyllisch ruhig ist es nicht, der Ort beschallt das Tal, die Motorräder und eine Baustelle nicht weit entfernt tun ihr übriges, aber mittlerweile bin ich so entspannt, dass es mir wenig ausmacht. Nur dass es nachts ganz schön kalt wird, dass hätte ich nicht erwartet. So bleibe ich lange in meinem kuschligen Bett liegen, das gute Wifi beschert mir eine reichliche Hörbuchauswahl auf Spotify und ich hab ja tatsächlich gar nichts vor. Gegen halb 10 wage ich mich dann mal unter der warmen Decke hervor, auf meiner Veranda ist doch tatsächlich wärmer als im Zimmer. Die sehr nette Vermieterin zeigte mir gestern Abend eine kleine Gemeinschaftsküche, da finde ich heißes Wasser, Nescafe habe ich noch aus Australien und Milch vorsorglich gestern Abend besorgt. So kommt mein großer Becher, den wir in den USA fürs Campen gekauft haben, wieder zum Einsatz. Den leckeren Kaffee genieße ich in der Hängematte am Teich, beobachte die beiden jungen Hunde, die aus einem Papierkorb Plastiktüten klauen und ziemlich viel Spaß mit dem Geknister haben, und stelle beruhigt fest, dass die Temperatur von Minute zu Minute steigt. Zu essen kriege ich hier wohl nichts, also mache ich mich auf ins Dorf. Meine Vermieterin hatte mir eigentlich angeboten, mich mit dem Motorrad hinzufahren, aber ich will gucken, was so um mich rum ist und so laufe ich an der Straße entlang. Es geht hoch und runter, das wird lustig mit dem Fahrrad, aber ich bin dann doch schneller im Ort als gedacht. Und stürze mich ins erste Backpackercafe, Omelett mit Lachs, Tomatensalat und Vollkornbrot, auch nicht sehr Thai. Gleich werd ich mir die Fahrräder mal angucken und dann wird geradelt!

2. Februar
Da ist er mir zuvor gekommen, der Eric. Witzig, dass wir offenbar zu ähnlicher Zeit über Ähnliches sinnierten – und jetzt brauch ich ja tatsächlich nichts mehr über Chinesen zu sagen, steht alles bei ihm.

Ich bin jetzt stolze Besitzerin eines roten Fahrrads, es scheppert etwas und eine echte P1070622Vollbremsung wird man damit nicht hinlegen können, aber es trägt mich hinunter in den Ort und dank einer Gangschaltung auch wieder hinauf. Ich schlafe lang in meinem Bungalow, heute trieb mich noch nicht mal der Hunger aus dem Bett. Erst gegen elf brach ich auf, entschied mich dann aber doch zunächst für eine Thaimassage am Ortseingang. Ich bekomme eine weite Hose und lege mich auf eine Matratze auf dem Boden. Eine ältere Dame fängt an, an meinen Füßen herumzukneten, also, das könnte ruhig ein bisschen fester sein, denke ich und überlege, ob ich ihr das sagen soll, aber sie spricht kein Englisch. Zum Glück. Denn irgendwann entdeckt sie meine Oberschenkel. Die hielt ich für gar nicht so verspannt bisher – sie wohl schon. Es gibt sehr viele, äußerst schmerzhafte Möglichkeiten, die Oberschenkelmuskeln zu drücken, quetschen, ziehen – und sie kennt sie alle. An der Vorder- und Rückseite. Was habe ich beim Yoga gelernt? In den Schmerz atmen – ich versuch’s… Zum Glück hat sie sich schon reichlich verausgabt als sie später dann meine P1070620Schultern erreicht. Sie stöhnt leise, als sie die verhärteten Muskeln dort entdeckt und entscheidet wohl, dass dafür keine Zeit mehr ist. Ich erinnere mich an die Masseurin im letzten Thailand-Urlaub auf Koh Mak, die laut klagte „Oh Madame – Computer!“ als sie versuchte, die Verspannungen zu lösen. So schmerzhaft die Session heute war – ich fühle mich wirklich gut, morgen wieder!

Es ist schon nach eins als ich die erste Mahlzeit des Tages zu mir nehme – Reis in rotem Curry und Papayasalat. MIr war jetzt nach gutem Thaiessen und da muss man doch ein wenig abseits der Touri-Meile suchen. Und ich wurde fündig: in einem Bretterverschlag mit dem obligatorischen großen Fernseher und so was ähnlichem wie Thailand sucht den Suoerstar. Wie schaffen sie es nur, in ein so simples Reisgericht mit ein bisschen Gemüse und Tintenfisch eine solche Geschmacksexplosion P1070623hineinzuzaubern? Dazu ein doch recht schweißtreibend scharfer Papayasalat – was für ein Frühstück. Danach noch ein wenig Shopping, jetzt hab ich auch ein Hippieoberteil :-), und dann wieder rauf aufs Radel zurück in meinen Bungalow. Und um dem süßen Nichtstun heute noch die Krone aufzusetzen, koche ich mir einen leckeren Nescafe, schnappe mein Laptop, strecke mich wohlig in der Hängematte aus und genehmige mir auf Youtube einen äußerst amüsanten Münsteraner Tatort. Das Leben kann so schön sein…

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