3999 und eine Insel

Ganz im Süden von Laos verbreitert sich der Mekong gigantisch – auf bis zu 14 Kilometer und mittendrin befinden sich die Si Phan Don, die „4000 Islands“. Was jetzt hier als Insel gilt und wer sie wohl gezählt hat, werde ich nie erfahren, aber mir reicht Don Khone, eines der drei touristisch erschlossenen Eilande. Ich habe Glück, dass ich hier überhaupt angekommen bin, denn in Pakse hatten sie mich einfach vergessen. Um einige Minuten vor acht, dem vereinbarten Abholzeitpunkt, stand ich zusammen mit anderen Gästen gestiefelt und gespornt vor meinem Hotel. Nach und nach wurden alle von irgendwelchen Kleinbussen abgeholt, nur mich wollte keiner mitnehmen. Jetzt bin ich ja in Asien und wollte auch nicht die Deutsche raushängen lassen, also versuchte ich erst um 20 nach 8, bei der Agentur anzurufen, was natürlich nicht klappte (ihr wisst ja: die Technik), also zurück ins Hotel, könnten Sie vielleicht? Die freundliche Dame erreicht tatsächlich jemanden und nickt mir beruhigend zu: sie kommen. Und dann geht alles ganz schnell, ich gehe kurz auf die Toilette, der Minibus steht schon da, als ich vor die Tür trete und der Fahrer sagt leicht sauer, dass sie ihm nicht gesagt hätten, dass ich auch abgeholt werden sollte. Er schmeißt sich in den Verkehr, tippt die ganze Zeit wild auf seinem Handy und irgendwann bleiben wir vor einem Hotel weit außerhalb stehen: umsteigen in den großen Bus. Die haben doch tatsächlich auf mich gewartet, denn kaum ist mein Rucksack verladen, geht es los. Ich bin froh, dass die Fahrt nur etwa zwei Stunden dauert, der Bus ist in einem bemitleidenswerten Zustand. Die wackere Französin vor mir greift irgendwann zur Selbsthilfe und dreht die Riegel der klappernden Deckenverkleidung fester, die Vorhänge müssen dafür herhalten, die garstig blasenden Lüftungsschlitze zu verstopfen. Aber ich bin froh, dass ich überhaupt dabei bin, also nichts zu meckern. Die Straßen werden schlechter, ganz zum Schluss gibt es auch keinen Straßenbelag mehr und wir halten auf einem großen staubigen Platz, wohl der Busbahnhof. Immer der Menge nach geht’s Richtung Fluss und ich ergattere den letzten Platz im Boot nach Don Khone. Die meisten wollen nach Don Det direkt gegenüber, das sei die Partyinsel, schreibt der Reiseführer. Etwa zwanzig Minuten kurven wir über den Fluss, der eher wie ein riesiger See wirkt, vorbei an winzig kleinen Inseln, auf denen gerade mal ein Strauch Platz hat (die zählen sie bestimmt mit) und legen dann an: Don Khone ist erreicht. Ich habe für eine Nacht ein Zimmer vorgebucht, dann kann ich mir ja immer noch was schöneres suchen, war mein Plan. Muss ich aber nicht, das gebuchte Zimmer ist zwar ohne Blick und Charme, aber die Wirtin lächelt mich an: sie hätte da noch was und führt mich zu einem großen Bungalow mit drei Zimmern und einer großen Terrasse direkt am Mekong, vor jedem Raum eine Hängematte – ja, so stelle ich mir das faule Inselleben vor. Für 17 Euro bin ich dabei, ein schlichtes Zimmer, ein sauberes kleines Bad und eben diese Hängematte und dieser Blick. Ich schwinge mich in die Matte, woraus ist die denn geknüpft? Unglaublich, aus lauter Waschzetteln oder wie heißen diese nervigen Dinger, die meist bombenfest in die Kleidung eingenäht werden, sowieso bald verblassen, aber immer kratzen. Die sind wirklich erfinderisch, die Laoten.

Der Hauptort von Don Khone besteht aus einer sandigen Straße mit ein paar Häusern, die meisten Gästehäuser oder Restaurants, und tickt noch mal viel langsamer als die übrigen Orte, die ich in Laos kennengelernt habe. Es gibt keine Autos, die Wege sind so schlecht, dass auch Mofas nur langsam und geräuscharm voran kommen und alles ist ultraentspannt. Die Menschen sind freundlich, die Hunde auch, in den Restaurants gibt es immer einen Bereich, in dem man auf gemütlichen Matratzen liegen kann und kaum tut man es, hat man schon eine Katze auf dem Schoß. Hier will ich bleiben.

 

Aber die Insel hat auch ein Hinterland und so sehr mir danach ist, den Tag einfach in der Hängematte zu verbringen – wer weiß, was ich verpasse. Und ich bin sehr froh, dass ich mich heute morgen aufs Fahrrad geschwungen habe. Eines mit kleinen, breiten Reifen, genau was man bei dem sandigen Boden hier braucht. Nach kurzer Zeit komme ich durch ein kleines Bauerndorf, Holzhäuser auf Stelzen, Hühner, Ziegen und Enten darunter, in kleinen Gärten wird Gemüse angebaut und im Fluss dümpelt ein Wasserbüffel. Die perfekte Idylle, der Traum vom einfachen Leben. Etwa zwei Kilometer weiter weist ein handbemaltes Schild nach links: ein Wasserfall. Na gut, den schau ich mir mal an. Irgendwann taucht rechts ein Haus auf, dahinter eine Hängebrücke. Ich stelle das Fahrrad ab und fühle mich beim Blick auf die Brücke an Indiana Jones erinnert. Die Landschaft, die sich hinter der Brücke auftut, ist atemberaubend und leider geben die Photos so gar nicht wieder, wie schön es hier ist. Der Fluss mäandert durch die grüne Landschaft, in der Ferne einige Wasserfälle, Fischfallen aus Bambus im Wasser – ein sehr ursprünglicher Ort. Ganz alleine bin ich hier nicht, immer mal wieder tauchen vereinzelte Touristen auf, aber trotzdem wirkt dieser Ort sehr unberührt. Ich trete den Rückweg an, neben der Brücke hatte ich ein kleines Restaurant gesehen und ein kühles Getränk wäre jetzt genau das richtige. Ich lasse mich auf der kleinen Terrasse mit Blick auf die Brücke in einem Liegestuhl nieder, die freundliche Wirtin bringt einen himmlischen Eiskaffee und ein kleiner Hund will auch was abhaben. Nach einem friedlichen Stündchen will ich mir noch rasch die Überbleibsel irgendwelcher französischer Eisenbahnbauversuche anschauen, ich überquere eine kleine Brücke, recht vertrauenserweckend, die nächste sieht schon wackliger aus und die dritte hätte ich gar nicht in Angriff genommen, wenn ich nicht schon so weit gekommen wäre. Die Betonkonstruktionen sind vollkommen unspektakulär und ich fluche ziemlich auf dem wackligen Rückweg.

Ich radle weiter, die Wege durch den Dschungel werden enger, jetzt kommt mir auch niemand mehr entgegen. Und irgendwann stehe ich vor einer letzten Brücke und beschließe, dass es jetzt gut ist. Was stand an der letzten Überquerung „In Memory Michael Reynolds“. Ob’s den Armen in die Tiefe gerissen hat? Oder war er nur für die Brückenkonstruktion verantwortlich? Das muss dann aber vor sehr langer Zeit gewesen sein. Langsam schmerzen Beine und Hintern vom Gehoppel über den löchrigen Weg. Jetzt eine Hängematte! Aber die ist zum Glück nicht weit, so wie nichts hier auf der Insel. Also zurück auf meine Terrasse zu einem wunderschönen Sonnenuntergang. Oh Island in the sun…

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