Malaysia Truly Asia

Die kleine Lockdown-Erinnerungsreihe geht weiter und zwar mit einem Land, das wir so häufig wie kein anderes besucht haben: Malaysia. Ich habe mich beim Schreiben mit Wonne in unseren Erlebnissen verloren und bin von einer fantastischen Erinnerung in die nächste gerutscht. Aber leider gibt es nur wenige Bilder, die die Pracht wiedergeben, denn damals haben wir noch Dias gemacht und von denen ist leider nur ein kleiner Teil digitalisiert. Also müsst ihr mir jetzt vor allem glauben!

Zu Beginn war es alles andere als Liebe auf den ersten Blick. Es war unsere dritte große Reise Mitte der 90er Jahre, wir hatten zuvor das damals noch so freundliche Venezuela und später dann Thailand bereist. Dort hatten wir unsere Liebe für Südostasien entdeckt und waren neugierig auf ein Land, das noch etwas abseits der klassischen Backpackerrouten lag. 

Lonely Planet hat uns durch viele Länder der Welt ziemlich zuverlässig begleitet, aber bei unserem ersten Ziel in Malaysia lag er vollkommen daneben mit seinem superauthentischen Unterkunftstipp. Das vermittelte uns leider eine völlig falsches Bild der eigentlich total spannenden Hauptstadt. Unser „Homestay“ war ein winziges Zimmerchen in einer Privatwohnung inmitten einer Hochhaussiedlung, weit ab der nächsten Metrostation und ohne jeden Charme. So spulten wir in ein paar Tagen ein Mindest-Besuchsprogramm ab und fühlten uns insgesamt so wenig wohl, dass wir „Kay El“ auf dem Rückweg vermieden. Die Liebe auf den zweiten Blick bei unseren nächsten Aufenthalten saß dann aber: Kuala Lumpur – nein, wirklich jeder dort nennt es KL – ist eine tolle Stadt, die für jeden etwas zu bieten hat. Der morbide Charme der Shophouses in Chinatown, die glitzernden Malls und die Zwillingstürme der Petronas Towers in KLCC (keiner sagt hier Kuala Lumpur City Centre), der koloniale Bahnhof, die quietschbunten indischen Tempel (unser Favorit ist der Sri Mahamariamman Tempel in Chinatown) und sogar ein paar Naturparadiese in der Großstadt, allen voran der Schmetterlingspark – das kriegt man hier alles und mit der futuristischen Metro ist es auch meist gut zu erreichen. Und man kann einer der eigentlichen Attraktionen Malaysias hier besonders frönen: dem Essen. Die Stadt ist voll von Hawker Centern, große Essensmärkte, bei denen man an diversen Ständen einen so unfassbar leckeren Überblick über den ethnischen Mix Malaysias bekommt. Ich schwärmte schon in dem Beitrag über Georgetown davon und muss es jetzt nochmal betonen: die malaiische, chinesische und indische Küchen verbinden sich in Malaysia zur kulinarischen Perfektion. Und weil sie so gerne gut essen, findet man in Großstädten wie KL auch fast jede andere Küche der Welt. Als Sushi bei uns noch kaum zu kriegen waren, schlugen wir uns dort die Bäuche voll, wir luden uns den Tisch voll mit marokkanischen Vorspeisen, unser Alltime-Favourite bleibt aber trotzdem ein ganz einfaches Roti Canai, Pfannkuchen mit Curry. 

Malaysia ist ein Vielvölkerstaat. Die Hälfte der Einwohner sind Malaiien, fast ein Viertel Chinesen, 10 % gehören zu den indigenen Gruppen und 7% sind Inder. Und dieser Mix macht sich nicht nur beim Essen bemerkbar, sondern überall in Architektur und Alltagsleben. Und es ist ein islamisches Land, aber wir haben es immer als gemäßigt empfunden. An der Ostküste geht es deutlich traditioneller zu als im Westen, trotzdem ist es auch hier eines der wenigen islamischen Länder der Welt, in dem ich mich als Frau stets sicher gefühlt habe. Und Malaysia kann mit zwei vollkommen unterschiedlichen Landesteilen aufwarten: dem Festland, mit Thailand im Norden und Singapur im Süden, zwischen Adamanensee und indischem Ozean gelegen, und den beiden Bundesstaaten Sarawak und Sabah auf der Insel Borneo, die sich Malaysia mit Indonesien teilt. 

Erst einmal zum Festland. Die klassische Route führt von KL aus nach Norden über die Teeplantagen der sehr britischen (und damals sehr kühlen) Cameron Highlands zur Insel Penang mit ihrer Hauptstadt Georgetown. Ich war 2016 ja noch mal ein paar Tage dort und verlinke hier auf meinen Bericht. Kultur, tolle kleine Cafés und gutes Essen gefällig? Ab nach Georgetown!

Wir reisten dann weiter nach Kota Bharu an der Ostküste. Der Ort ist mir als wenig spektakulär und tatsächlich eher dreckig in Erinnerung. Ich weiß nur noch, dass wir mit dem Zug fuhren und viele Stunden Verspätung hatten. Immer wieder standen wir längere Zeit, um den Gegenverkehr durchzulassen, aber es war vergnüglich und wir unternahmen einige kurze Spaziergänge, bevor uns das Tröten des Zugs wieder zurückrief. Kota Bharu bietet den Zugang zu den Inseln des Ostens und wir entschieden uns für die Perhentians. Sie waren schon damals nicht mehr ganz unentdeckt, trotz beschwerlicher Anreise mit Bus und kleinem Boot. Aber sie kamen unserer Vorstellung von einer Trauminsel relativ nah. Wir hatten eine recht komfortable Hütte in der Nähe des Strandes, hinter uns begann der Dschungel und abends zogen die Affen über uns hinweg und warfen kleine Stöckchen auf das Wellblechdach unserer Unterkunft. Zum Frühstück gab es die unfassbar leckeren Roti, Pfannkuchen, die aus einem zähen fettigen Teig dünn gebraten und mit gesüßter Kondensmilch oder einem leckeren Curry serviert werden. Eric aß dort sein erstes und wahrscheinlich auch letztes Taschenkrebscurry, es war zwar köstlich, aber er musste sich dem Tier, dass in Soße schwamm, mit den Fingern nähern und es gab eine ziemliche Sauerei. Oder eher Krebserei. Ein paar Jahre später, als die Perhentians dann schon voll vom Tourismus entdeckt waren, fanden wir eine weitere Trauminsel an der Ostküste, Lang Tengah, und verbrachten auf diesem kleinen Juwel eigentlich mehr Zeit unter als über Wasser, tauchend und schnorchelnd. Das Korallenriff war direkt vom Strand aus zu erreichen, man watete ein paar Meter durch’s flache Wasser, umgeben von kleinen Riffhaien und ersten bunten Fischen, tauchte dann ab und war im Unterwasserparadies. Einen Neoprenanzug konnte man sich im warmen Wasser sparen, T-Shirt und Tauchjacket drüber, das reichte vollkommen. Bunte Korallen, noch buntere Fische und meine Angst vor Muränen habe ich dort schnell abgelegt. Der Traumstrand dürfte auch heute noch einer sein, das wunderbare Korallenriff wurde leider ein Opfer von El Nino…. 

Ist man erst mal an der relativ untouristischen Ostküste und hat sich sattgebadet, bietet sich eine Busfahrt der Kontraste ganz hinunter in den Süden an. Ich meine, wir fuhren die 700 Kilometer in zwei Etappen, mit einem Aufenthalt in Kuantan. Bis auf die vorgelagertem Inseln – weiter unten komm noch das wahrscheinlich etwas bekanntere Tioman – findet man relativ wenige Reisende hier. Wir schaukelten in unserem Bus durch Kampungs – Gemeinschaftssiedlungen aus Holzhäusern – immer wieder liefen Affen über die Straße, hier geht es sehr traditionell und sehr islamisch zu. Und plötzlich tauchten in der Ferne die glitzernden Hochhäuser Singapurs auf, unser staubiger Bus fuhr in das futuristische Gebäude des Grenzübergangs Woodlands und wir waren in der Hightech-Zivilisation angekommen. Malaysia war damals schon hochpreisiger als andere südostasiatische Länder, Singapur toppte das noch und so übernachteten wir dort in einem fensterlosen Zimmerchen außerhalb der Innenstadt. Aber: es hat sich gelohnt. Gerade auch weil der Gegensatz zur ländlichen Ostküste Malaysias so schrill war. Wir zogen durch die Shopping Malls, gönnten uns einen Singapore Sling im Innenhof des berühmten Raffles-Hotel und schlemmten uns durch Hawker Center. Was uns immer in Erinnerung bleiben wird, ist ein Besuch im Nachtzoo. Erst nach Sonnenuntergang öffnet der die Pforten und durch ein besonderes Spiel mit Licht und Schatten hat man den Eindruck, in der nächtlichen Landschaft direkten Kontakt mit den Tieren zu haben. Die Absperrungen sieht man kaum, die Tiere sind sehr aktiv und wir hatten das Gefühl, von der puren Exotik umrundet zu sein. Wir verließen Singapur schweren Herzens mit dem Zug nach Malakka, eine damals noch etwas vor sich hindämmernde historische Perle an der Westküste Malaysias, die mittlerweile sicherlich ihre volle kolonialen Pracht entfaltet hat. In Seremban verbrachten wir unsere letzte Nacht, KL umgehen war ja immer noch unsere Devise.

Eine klassische Umrundung Festlandmalaysias hatten wir damit geschafft und das anfängliche Unbehagen Schritt für Schritt abgelegt. Nicht so voll wie Thailand, immer wieder sehr ursprünglich, sensationelles Essen, erstaunlich einfach zu bereisen und mit spektakulärer Natur – das waren die Eindrücke, die wir von unserer ersten Malaysia-Reise mitnahmen. 

Es folgten in den kommenden Jahren noch vier weitere – auch weil wir den Sprung vom Festland nach Ostmalaysia auf die Insel Borneo wagten. In der freundlichen Hauptstadt des Bundesstaates Sarawak, Kuching, kann man locker ein paar Tage verbringen. Man muss es auch, denn Reisen in Sarawak sind nicht ganz einfach und viele Wege führen dann doch immer wieder nach Kuching zurück. Aber die hübsche Promenade am Fluss, die schönen ethnologischen Museen und das leckere Essen (unser Favorit war das Open Air Restaurant auf dem Dach des großen Parkhauses in der Innenstadt mit einer Riesenauswahl merkwürdigen Seegetiers) machen es zu einem Vergnügen. Und dann diese besondere Atmosphäre – man spürt einfach, dass hinter Kuching das abenteuerliche Borneo beginnt, Dschungel, Tiere und das Land der Ureinwohner.

Unseren ersten Dschungelausflug unternahmen wir in den Bako Nationalpark. Keine Busstunde und einen schönen Bootstrip von Kuching entfernt liegt für mich das Paradies. Bako ist anstrengend, bei Hitze und extremer Luftfeuchtigkeit verlangen einem die Trails durch den Dschungel einiges ab, literweise Wasser und Essen muss man mitschleppen, auf den Wanderwegen ist man allein – also zumindest sind keine Menschen dort 🙂 Deswegen kommen zum Glück immer noch relativ wenige Touristen hierher und übernachten tun wegen der Nähe zu Kuching noch weniger. Die kleinen Hütten sind ziemlich basic, das Essen auch, Proviant sollte man sich aus Kuching mitnehmen und nachts muss man sich darauf gefasst machen, dass eine Horde Borneobartschweine um die Hütten wandert und die Wege aufwühlt – ach, und von Kokosnüssen sollte man sich auch nicht erschlagen lassen.Die Wanderwege durch den Park bieten allerdings unfassbare Natur- und Tierbegegnungen, die jeden Liter Schweiß wert sind. Es sind vor allem die Nasenaffen und fleischfressende Pflanzen, die besonders faszinieren. Und von beiden bekommt man reichlich zu sehen. Aber auch dieses Gefühl, wirklich ganz allein im Dschungel zu sein, macht sehr sehr glücklich. Mich zumindest. Ich werde nie das Gefühl vergessen als ich nach unserer ersten Übernachtung schwersten Herzens auschecken wollte, eher beiläufig meinte, eine weitere Nacht könnten wir ja wohl nicht bleiben und der Ranger meinte, er könne ja mal telefonieren. Die Übernachtungen waren damals kompliziert, man musste schon in Kuching buchen und eine Genehmigung einholen. Er kam zurück und sagte ja, ihr könnt noch bleiben, und ich war im siebten Himmel.

 

Jahre später waren wir mit Patenkind Anna Lena dort und so anstrengend es auch für sie war, ich glaube, sie fand es toll. Anekdötchen: wir saßen beim Frühstück im Freiluftrestaurant und hatten uns als Goodie Schokoaufstrich aus Kuching mitgebracht. Wir waren noch beim ersten Kaffee als es Zack machte, ein behaarter Arm griff zu und weg war unser Nutella. Es war ein Makake gewesen, der sich in Sichtweite von uns hungrigen Eigentümern in einem Busch niederließ, das Glas professionell aufschraubte und Finger für Finger den Inhalt leerte – wir schwören, er hat uns dabei angegrinst.

Eine der Attraktionen Sarawaks sind die Langhäuser der Iban, Gemeinschaftshäuser, in denen ganze Dorfgemeinschaften leben. Und so touristisch unentwickelt Sarawak damals war, Hilton konnte mit einer Attraktion aufwarten: einem luxuriösen Langhaus mitten im Dschungel. Das Batang Ai Hilton haben wir uns nach einigem Überlegen und Rechnen geleistet – und es war sein Geld wert. Auch weil wir fast allein dort waren. Und wir einen Ausflug in ein echtes Langhaus machen durften, zu den wild tätowierten Iban, die uns stolz ihre Schrumpfköpfe präsentierten. 

Mit einem breiten Lächeln denke ich an Mukah zurück, einem kleinen Städtchen der Melanau etwa 400 km östlich von Kuching. Wir wollten mehr sehen von Sarawak, hatten eine weitere Reise dorthin geplant, ich lag krank im Bett in Stuttgart und fing an zu googeln. Wieder gesund buchte ich den Flug in der Mini-Maschine und kontaktierte das Kulturzentrum „Lamin Dana“, in dem man auch übernachten kann: http://www.lamindana.com/index.php  Der Flug von Kuching aus in diesem winzigen Flugzeug über den Urwald, durch den sich breite Flüsse schlängelten, die herzliche Begrüßung, das Haus am Wasser, von dessen Terrasse aus man stundenlang dem Leben am Fluss und den Flößern zugucken konnte – Erinnerung, in denen ich gerne versinke. Das Highlight war ein Ausflug mit dem Kayak entlang des Flusses, die freundlichen Menschen, die am und vom Wasser leben, uns scheu, erstaunt oder herzlich zuwinkten, eine wunderbare Erfahrung.

So viel gibt es zu erleben in diesem tollen Land und vieles haben wir noch gar nicht gesehen. Bis Sabah, dem östlichen malaiischen Bundesstaat auf Borneo haben wir es nicht geschafft, und so wirklich viel von Sarawak auch nicht gesehen. Einen ganz guten Eindruck haben wir von Festlandmalaysia, das ist allerdings viele Jahre her. Sicherlich hat sich in allen Orten unglaublich viel getan. Aber das klassische Touristenziel in Südostasien ist Malaysia immer noch nicht. Der Titel der Tourismuskampagne war damals „Malaysia truly Asia“. Und der Spruch passt wirklich fast genauso gut wie „Incredible India“.

Also, wenn wir uns dann alle wieder auf den Weg machen können, vielleicht auch mal über Malaysia nachdenken. Wer sich durch Asien schlemmen möchte, zur Not das Frühstück auch mal mit Makaken teilt, einen bunten Völkermix erleben will und vor allem auf unvergessliche Naturerlebnisse aus ist, der ist hier genau richtig!

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