Hiroshima

Es gibt Orte, deren Namen einen erschauern lassen. So wie Guernica oder Auschwitz. Japan hat gleich zwei davon: Hiroshima und Nagasaki, rechnet man noch Fukushima dazu, sind es sogar drei. Und in Hiroshima sind wir jetzt seit20151017-Hiroshima-Nikon-40 zwei Tagen.  Und es ist eine sehr lebendige, lebenslustige und freundliche Stadt, von Flüssen durchzogen, mit breiten Einkaufsstraßen, einer Burg und dem schönen Friedenspark. Und nur dort und an einigen wenigen anderen Stellen wird man mit dem Grauen konfrontiert, das hier vor 70 Jahren stattgefunden hat.

Am 6. August 1945 explodierte 600 m über 20151017-Hiroshima-Nikon-03der Stadt eine Atombombe und zerstörte 80% der Stadt. In der Kernstadt blieben nur einzelne Gebäude stehen, so das damalige Handelszentrum, das als „Atomic Bomb Dome“ erhalten wurde und heute Friedensdenkmal ist. Es ist der erste Gedenkort, den wir besuchen, eine Ruine an einem idyllischen Ort, am Ende einer Einkaufsstraße direkt am Fluss gelegen, mit Blick auf den Friedenspark. Erst die Informationstafeln nehmen einem den Atem: hier ist es passiert, die nahegelegene Brücke über den Fluss diente den Bombern als Orientierung.
Vor hiroshima4der Absperrung hat ein Mann seinen Stand aufgebaut, er trägt ein Schild mit der Aufschrift „Survivor“, er hat Berichte über den 6.8.1945 in allen möglichen Sprachen ausgelegt und will dem Grauen ein Gesicht geben.
Wir gehen weiter am Fluss entlang und überqueren ihn an der nächsten Brücke in Richtung Friedensmuseum. Eigentlich ist uns gerade nicht danach, zu eindrücklich war schon der A-Bomb Dome, aber dann gehen wir doch hinein. 50 Yen kostet der Eintritt, das sind etwa 30 Cent, dafür bekommt man auch noch eine Postkarte aus recyceltem Papier, das aus den vielen tausend Papierkranichen, die Hiroshima jedes Jahr erreichen, hergestellt wurde. Die Karte soll man mit seinen Eindrücken beschriften und verschicken, eine schöne Idee. Wen interessiert, was es mit den Papierkranichen auf sich hat, der sollte sich die Geschichte von Sadako Sasaki durchlesen.

Im Museum sind fast nur persönliche und Alltagsgegenstände ausgestellt: die Kleider von Opfern, eine zerschmolzene Taschenuhr, in die 20151017-Hiroshima-Nikon-24sich die Zeiger auf viertel nach acht eingebrannt haben, ein Klumpen ineinander verschmolzener Gläschen, die aus einem Keller geborgen wurden. Zu jedem Gegenstand wird eine kurze Geschichte erzählt, zum Beispiel, wem die Jacke gehörte, deren Fetzen man betrachten kann, wo ihn die Bombe antraf, dass er es danach noch nach Hause schaffte, dann aber dort starb. Die Ausstellungsweise des Museums ist wohl umstritten, aber sie lässt die einzelnen Menschen hinter der unglaublichen Opferzahl aufscheinen. Es sind sehr ergreifende Geschichten und mir fällt auf, dass die Japaner ihre teilweise sehr kleinen Kinder mit in die Ausstellung genommen haben und ihnen genau erklären, was in den Auslagen zu sehen ist. Friedenserziehung fängt hier sehr früh an.

20151017-Hiroshima-Nikon-17Nach dem Museumsbesuch gehen wir durch den Friedenspark, ein schön gestalteter Ort. Ein Rundbogen, durch den man die hiroshima6ewige Flamme und den Atomic Bomb Dome sehen kann, Grünflächen, das Denkmal für den Weltkinderfrieden. Die gesamte Anlage hat etwas sehr versöhnliches, getragen von dem unbedingten Willen, so etwas nie wieder passieren zu lassen.

Irgendwann wollen wir wieder ins Leben zurück. Die sprudelnde Lebendigkeit des neuen Hiroshima ist genau das Richtige. Wir stürzen uns in die Einkaufsstraßen, freuen uns noch mehr über die hinreißenden japanischen Kinder und finden zum Abschluss des Tages das beste Sushirestaurant (und wir hatten ja schon phantastische…).

Am nächsten Tag lassen wir es langsam angehen, wir schlafen lange, frühstücken gemütlich und bummeln dann durch die Straßen. Gegen Spätnachmittag machen wir uns auf zur Burg von Hiroshima. Hiroshima2Ein klassisch japanischer Bau, dem man nicht ansieht, dass er erst Mitte des 20. Jahrhunderts errichtet wurde. Und dann werden wir wieder darauf gestoßen, dass dies kein normaler Ort ist, auch wenn alles so normal scheint: die Informationstafel beschreibt nüchtern, dass es sich um den Wiederaufbau des Schlosses aus dem 16. Jahrhundert handelt, das bei der Atombombenexplosion zerstört wurde. Es gibt Orte, die es nicht zulassen, dass man dem Schauern entkommt.hiroshima3

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