… heißt hoffentlich so viel wie schönes nasses Neapel. Aber mein Italienisch ist ziemlich eingerostet. Oder eher abgegluckert.
Wir saßen im frühlingshaften Zypern, Coco und ich, als wir uns vor zwei Jahren dort trafen, auf unserer großen Reise. Das sollten wir öfter machen, dachten wir uns. Eine sonnige Flucht aus dem kalten Deutschland. Letztes Jahr klappte es nicht, aber dieses Jahr, da wollten wir dem Frühling entgegen reisen. Andalusien oder Israel oder vielleicht doch eine sonnige Insel? Mehr als ein verlängertes Wochenende hatten wir nicht und ein bisschen Kultur wollten wir und gutes Essen und leckeren Wein – das schreit doch nach Italien. Und unten im Süden, wo die Zitronen blühn und die Goldorangen glühn, da wird es doch niemals kalt, oder?
Also auf nach Neapel. Südlicher als Rom habe ich es noch nie geschafft und den Vesuv und Pompeji wollte ich immer schon mal sehen. Coco ging’s genauso und so flogen wir gemeinsam in den Süden. Und ja, kaum waren wir der Metro entstiegen, lud uns schon eine kleine Espressobar zu unserem ersten italienischen Kaffee ein. So richtig warm wars noch nicht, aber wir konnten draußen sitzen. Und dann waren wir mittendrin in der Altstadt von Neapel, in unserer kleinen Wohnung in einer engen Gasse, viele viele gute Restaurants um uns herum, ein Fläschchen Rotwein vom Vermieter – was konnte da schief gehen?
Richtig schief gegangen ist eigentlich nichts, unsere Stimmung hielt sich, der Wein floss – aber eben auch der Regen. Und wenn es im Frühjahr in Neapel regnet, dann richtig. In Strömen und lange und gerne auch mal mehrere Tage hintereinander. Schnell war klar: das wird ein Urlaub der überdachten Attraktionen. Neapel hat davon genügend für mehrere Tage und so starteten wir gleich mit dem größten Abstand zum tropfenden Himmel – Napoli Sotterranea, dem gigantischen Katakomben-Gewirr 40 Meter unter Neapel. Die Griechen buddelten hier zuerst, um Steine für den Häuserbau aus der Erde zu klopfen, dann kamen die Römer und nutzten die Gänge für ein Abwassersystem, später kippte man Müll hinein und als eine große Cholera-Epedemie im 19.Jahrhundert tausende von Tote in der Stadt forderte, wurden die Zugänge erst mal dicht gemacht. Im Zweiten Weltkrieg brauchte man die Unterwelt als Bunker und seit einigen Jahren wird das Ganze vor allem touristisch genutzt. Über 400 km winden sich unter der Stadt, manche Gänge so schmal, dass man nur noch seitlich vorankommt und bis vor kurzem bekam noch jeder eine tropfende Kerze zur Beleuchtung in die Hand. Heute sind es LED-Kerzen oder gleich Handylampen, aber der Charme bleibt bestehen. Als wir den grauen Himmel wieder erblicken, geht es um die Ecke in die ehemalige Wohnung einer neapolitanischen Familie. Jahrzehnte nutzen sie einen vermeintlichen Keller unter ihrem Bett, um Wein zu lagern. Dann entpuppte sich der Keller als Eingang zu einem riesigen antiken Theater und das war’s dann mit der Wohnung. Die Familie musste gehen, die Einrichtung blieb, damit man den staunenden Touristen zeigen kann, was zum Vorschein kommt, wenn man das Bett abrückt und die Klappe darunter öffnet.
Was macht man sonst so in einer Stadt, in der es permanent regnet? Gemütlich in Cafés sitzen, wäre grundsätzlich eine meiner Antworten. Aber Neapel ist nun mal eine Stadt, in der es meistens warm ist und das Leben unter freiem Himmel stattfindet. Und wo man dann eben auch draußen sitzt. In den Cafés gibt es meist den typischen Tresen, an dem man Espresso schlürft und ein paar mittelmäßig bequeme Stühle. Aber nur sehr selten gemütliche Sessel, in denen man ein Stündchen verbringen möchte. Aber was soll’s, die Museen sind auch sehr sehenswert.
Wir bekommen im Archäologischen Nationalmuseum einen ersten Eindruck, was uns in Pompeji erwarten wird. Die Statuen und vorallem die Alltagsgegenstände zeugen von einer sehr weit entwickelten Kultur. Staunend stehen wir vor allem vor den Glasgefäßen – so was gab es um 70 nach Christus? Einiges könnte durchaus aus dem Haushaltswarenladen um die Ecke sein. Ganz schön fit, diese Römer. Der Duomo und das Museum mit Werken von Caravaggio beeindrucken mit ihrer barocken Pracht und am Ende des Tages wartet ja immer noch ein Highlight: der Besuch einer Trattoria oder Pizzeria. Ein eigentlich immmer hervorragender Vino di Casa, mal weiß, mal rot stimmt uns auf die Köstlichkeiten der neapolitanischen Küche ein, die Antipasti sind einmalig, die Pasta außergewöhnlich (z.B. weiße Bohnen und Meeresfrüchte, eine wilde, aber durchaus stimmige Kombination), aber natürlich muss es auch eine Pizza sein. Sie ist lecker, aromatisch, laut Reiseführer eine der besten der Stadt und in typisch italienischem Ambiente – aber trotz Holzofens habe ich schon knusprigere gegessen. Doch die Hauptsache ist ja eigentlich, dass sie hier erfunden wurde, die Pizza. Oder war es doch eher in den Straßen von New York?
Und dann Pompeji. Wir haben uns den einzigen regenfreien Tag ausgesucht, dafür bläst ein kalter Wind, der uns allerdings auch vor Touristenmassen schützt. Eine halbe Stunde mit der Vorortbahn und man kommt direkt am Haupteingang heraus. Im Besucherzentrum kriegt man einen digitalen ersten Eindruck. Eine komplett erhaltene Kleinstadt, konserviert für die Ewigkeit.
Vor einigen Jahren habe ich mit Begeisterung Aufbauspiele am PC gespielt, aus ein paar mickrigen Zelten wurde im Laufe der Tage eine riesige römische Stadt, mit Amphitheater und allem drum und dran. Hatte man aber nicht rechtzeitig für ausreichend Tempel, Badeanstalten und Marktplätze gesorgt, wurde es nichts mit der Pracht. Und jetzt laufe ich durch eine Stadt, die hierfür das perfekte Vorbild ist. Nur der große feuerspeiende Berg, den gab’s in meinem Spiel nicht.
Die Pompejianer haben es sich sehr schön gemacht in ihrer Stadt. Aufwändig dekorierte Häuser mit Innenhöfen, die Straßen gesäumt von kleinen Läden, Brunnen an jeder Ecke,
Tempel, Theater und das meist mit grandiosem Blick entweder auf das Meer oder die Berge. Denn der Vesuv, der heute ganz brav mit einem kleinen Wölkchen über dem Gipfel da steht, ist nicht der einzige Berg in der Umgebung. Vieles wirkt so, als sei es vor gar nicht allzu langer Zeit verlassen worden. Der Backofen in einem Haus sieht aus, als könne er mit ein bisschen Holz sofort beste Pizza produzieren, manche Bodenmosaike sind vollständig erhalten und in der Therme scheint nur ein wenig sprudelndes Wasser zu fehlen. Es ist schade, dass es nicht wärmer ist, man sich eine Weile hinsetzen und die Phantasie spielen lassen kann, wie es wohl war, das Leben in Pompeii vor 1000 Jahren. Den Tod kriegt man an einigen Stellen vor Augen geführt, die Gipsabdrücke der Bewohner geben einen Eindruck vom tragischen Untergang der Stadt. Mich fröstelt noch etwas mehr.
Am Tag drauf schneit es dann. Dicke Flocken segeln an unserer Balkontür vorbei und auf einigen Autos liegen mehrere Zentimeter Schnee. Es ist Zeit zu gehen…
Ach ja, und während ich dieses schreibe, scheint mir die Frühlingssonne auf den Kopf, meine Reisehängematte aus Amerika passt perfekt auf meine kleine Dachterrasse und ich baumle in der Wärme Stuttgarts. Bissle schlechtes Timing war das schon mit Neapel, aber toll war’s trotzdem.