At home in Edinburgh

Es sind gerade einmal anderthalb Wochen, p1080825-1die ich jetzt in Edinburgh bin und trotzdem kommt es mir so vor, als würde ich schon lange hier leben. Das erste Fremdeln ist zum Glück gewichen und ich entdecke jeden Tag Neues.

Wann fängt man eigentlich an, sich irgendwo zuhause zu fühlen? Wenn man die Straßen seiner Umgebung so ergründet hat, dass einen hinter der nächsten Ecke keine Überraschungen mehr erwarten? Zwar weiß ich immer noch nicht genau, wie mein Stadtteil heißt, aber ich habe ihn nach Süden Richtung Innenstadt, nach Norden und Osten Richtung Meer und nach Westen bis zum Royal Botanic Garden erkundet und jetzt gerade mal nachgeschaut: Canonmills heißt er. Zum Heimischfühlen gehört sicherlich, dass man sich eine gewisse Infrastruktur erarbeitet hat. Mein Tesco um die Ecke versorgt mich an sieben Tagen die Woche bis zehn Uhr abends mit feinen Dingen, noch näher befindet sich mein Yoga-Studio, das mich ganz schön ins Schwitzen bringt und meinen Fahrradhändler kenne ich schon etwas genauer, musste er doch nach wenigen Tagen die Bremsen nachziehen. In der Wohnung habe ich mittlerweile jetzt alle Zimmer in Beschlag genommen. Verbrachte ich die Abende anfänglich vor allem in der Wohnküche, habe ich jetzt auch das Wohnzimmer erobert und mir einen sehr vergnüglichen Abend mit „Last Night of the Proms“ bereitet – da hätte ich ja eigentlich mal dran denken und mich zunächst in London einquartieren sollen, um im Hyde Park dabei zu sein, aber so ist das mit der fehlenden Reiseplanung. Trotzdem macht auch die Fernsehübertragung Spaß und „Jerusalem“ gehört zu den Liedern, die mich zu Tränen rühren, und mitsingen kann ich es natürlich auch 🙂 

Wer hier auf den ersten Blick nicht als Tourist auffallen möchte, der darf erstens nie an einer Fußgängerampel darauf warten, dass es grün wird und zweitens keine temperaturangemessene Kleidung tragen. Alles über 15 Grad scheint hier in die Kategorie Sommer zu fallen, trotz herbstlicher Temperaturen laufen viele Männer in kurzen Hosen durch die Straßen, bei den Frauen scheinen Strumpfhosen was für Schwächlinge zu sein und man möchte warme Decken über die armen Kinder werfen, die barfuß in ihren Kinderwagen herumgefahren werden. Grundsätzlich halten alle die Temperaturen offensichtlich für tropisch – meine Yoga-Gruppe bestaunte die warmen Abende – 21 Grad, das sei „not normal“.

Die Hauptsehenswürdigkeiten der Stadt habe ich fast durch – zumindest von außen. Einen Besuch im Edinburgh Castle und im Schloss der Queen hebe ich mir noch auf, die royale Yacht spare ich mir wahrscheinlich und für eine Gipfeltour zum Arthur’s Seat, dem höchsten p1080885Berg der Stadt, muss ich noch trainieren… Die Scottish National Gallery wird mich sicherlich noch ein paar Mal sehen – viele Museen in Edinburgh sind kostenlos und geben einem so die Gelegenheit, sich bei einem Besuch auf ein paar wenige Ausstellungsstücke zu konzentrieren. Also werde ich mich im Laufe der Zeit von der frühen Renaissance bis zum Impressionismus vorkämpfen und habe so auch einen guten Plan, falls das Wetter wirklich schlecht werden sollte.

Trotz Nieselregens war der Besuch auf dem Calton Hill genau das Richtige, um einen Überblick über die Stadt zu bekommen. Auf der einen Seite erstreckt sich die Neustadt bis hin zum Meeresarm Firth of Forth, auf der anderen Seite blickt man auf den Schlossberg und wieder ein Stück weiter auf den Holyrood Palast mit dem beeindruckenden Arthur’s Seat im Hintergrund.

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Auf dem Hügel selber findet p1080852sich eine Parthenon-Nachbildung, die vor allem Asiaten anzuziehen scheint. Zitternd präsentiert eine Gruppe von Chinesinnen Brautmoden, der Photograph lässt sich Zeit – er hat ja auch eine dicke Daunenjacke an.

Am nettesten ist es aber, zu Fuß oder mit dem Fahrrad einfach mal loszuziehen. Jedes Mal entdecke ich dabei eine nette Ecke – sei es ein hübscher Pub am Meer, viktorianische Häuserensembles in der New Town oder ein verwunschener Park, von denen es hier reichlich gibt.
p1080876-1Sogar das Einkaufen wird hier zum touristischen Erlebnis, das altehrwürdige Kaufhaus Jenners hat sich seine Pracht bewahrt und kombiniert wagemutig BH-Moden vor historischer Glasmalerei. p1080880-1Eigentlich ging ich hinein, um mich ein wenig aufzuwärmen nach einem kurzen Regenschauer und kräftigen Böen. Aber überall pusteten einem Ventilatoren entgegen, denn ich weiß ja jetzt: 21 Grad, das ist nicht normal.

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