Kairo – Ein Chaos von Stadt

Nach drei Tagen Pyramidengucken in Gizeh sind wir endlich reif für Ägyptens Hauptstadt. Durch Uber ersparen wir uns den üblichen Taxi-Beschiss und landen nach gut einer Stunde mitten im Zentrum der 10-Millionen-Metropole. Die letzten Meter geht es zu Fuß weiter, weil der Fahrer wegen der vielen wild parkenden Autos gar nicht in unsere Straße einbiegen kann. Und so lernen wir gleich: in Kairo regieren die Autos, unerbittlich, ob parkend oder fahrend. Fußgänger sind hier nicht wirklich vorgesehen. 

Ein alter Holzaufzug mit Gittertür, der Liftboy ein älterer Ägypter im bodenlangen Gewand, bringt uns in den dritten Stock eines alten Hauses, in dem unsere Pension eine Etage einnimmt. Das „Crown Hotel“ ist eine echte Oase im Herzen der wilden Stadt, superfreundlich und super Frühstück.

Diesen Rückzugsort brauchen wir in den nächsten Tagen. Der Verkehr, die schlechte Luft, das stete Grau, in das die Stadt mitsamt ihrer Gebäude getaucht zu sein scheint. Aber trotzdem gibt es so viel zu sehen und wir versuchen, uns von dem Autoterror nicht unterkriegen zu lassen.

Wir starten unsere Entdeckungsreise in der islamischen Altstadt. Sicherlich eine der Touristenhochburgen, aber hier ist er ganz nah, der Traum vom Orient. El-Mu’izz li-Din Allah ist der sperrige Name des Straßenzuges, an dem eine historische Moschee an der anderen liegt. Es ist schon späterer Nachmittag, bald schließen die alten Gebäude, aber dafür haben wir sie fast für uns allein. 

Wir streifen durch die alten Gotteshäuser, entdecken steinerne Gänge und einsame Innenhöfe, bestaunen die hohen Kuppeln, laternengeschmückt, und genießen die Ruhe ein paar Meter von den quirligen Basarstraßen entfernt.

Der Basar selber ist voll und ganz auf Touristen ausgelegt. Verwundert stellen wir fest, dass die Handelssprache hier spanisch zu sein scheint. Und tatsächlich drängen sich große Gruppen von Spaniern oder Südamerikanern durch die Gassen und die findigen Basarhändler haben sich sprachlich sofort darauf eingestellt. Wir geben zu, wir sind eh nicht auf Souvenirs aus, sondern suchen einen Ort für das Endspiel der Fußball-WM. Die erste Halbzeit verbringen wir in einem Schnellimbiss, für die zweite ergattern wir in einer Nebenstraße Plätze vor einem Teehaus. Ob wir Franzosen seien, fragt man uns, und als wir verneinen und eine gewisse Sympathie für Argentinien durchblitzen lassen, dürfen wir bleiben.

Der nächste Tag gehört wieder mal den Pharaonen. Das Ägyptische Museum sollte zwar schon vor zwei Jahren seinen Neubau bezogen haben, aber wir kommen aus der Stadt des unterirdischen Bahnhofs und da können wir über diese Verzögerung nur milde lächeln. Sicherlich wird das neue Museum den vielen wunderbaren Exponaten sehr viel gerechter werden als der Altbau im Herzen der Stadt. Aber ob er auch so viel Atmosphäre verbreiten wird? Wie „Nachts im Museum“ kann man sich hier fühlen, ein paar Meter neben den Touristenmassen ist man allein mit verstaubten Stapeln von Sarkophagen, so viele, so prächtig, so geheimnisvoll. Gar nicht einsam geht es bei der Totenmaske des Tutanchamun zu. Manch einer versucht im Gedränge, ein Bild von der gold-blauen Pracht zu bekommen, wird aber sofort streng auf das Photographierverbot hingewiesen. Aber Tut und ich, wir kennen uns schon. 1981 war er auf Tour durch Deutschland und ich kann mich noch sehr lebendig daran erinnern, ihn in Hamburg gesehen zu haben. Aber hier hat er all seine prächtigen Grabbeigaben bei sich. Unfassbar, wie die Tempel und Gräber ausgestattet gewesen sein müssen. Und unglaublich, welche Hochkultur hier vor viertausend Jahren existierte. 

Dagegen wirken die sehr viel jüngeren Ausstellungsstücke der Kopten, die wir uns am nächsten Tag im koptischen Museum ansehen, in ihrer Machart fast naiv und ungelenk. Was natürlich eine ganz und gar unfaire Einschätzung ist, waren doch die Kopten Meister ihrer Zeit in Sachen textile Kunst. Aber gegen die Brillanz der alten Ägypter kommt halt kaum jemand an. Das koptische Viertel Kairos ist wieder eine Welt für sich, diesmal eben eine christliche. Auch hier reiht sich eine beeindruckende Kirche an die andere, christliche Geschichte wurde hier geschrieben, denn der Legende nach rastete Jesus mit seinen Eltern am Ende ihrer Flucht nach Ägypten in der Höhlenkirche. Position und Schicksal der Kopten in Ägypten sind schwierig, immer wieder kommt es zu teilweise tödlichen Spannungen zwischen den Religionen.

Unser letzter Tag in Kairo gehört den wichtigen Moscheen der Stadt. Die Zitadelle von Saladin, die hoch über der Stadt thront, beherbergt die Muhammad Ali Moschee, die wohl bedeutendste in Kairo. Von der Terrasse aus kann man über die Stadt hinweg bis zu den Pyramiden schauen und es könnte ein so phänomenaler Blick sein, wenn da nicht dieser Dunst, dieses Grau, dieser Abgasmoloch wäre. Doch auch wir tragen umgehend wieder dazu bei, weil die nächsten großen Moscheen zwar in Sichtweite unterhalb der Zitadelle liegen, der eigentlich erträglich lange Fußweg dorthin aber gesperrt ist. 

Schwierig, schwierig, dieses Kairo. Eine Stadt, die sich immer weiter ausdehnt und jeder, der es sich leisten kann, in die etwas angenehmeren Vororte zieht. Um dann wieder mit dem Auto zum Chaos auf den Straßen beizutragen. Es gibt sie, die Metro, wir haben sie auch genutzt und sie ist angenehm, aber mit zweieinhalb Linien in dieser Riesenstadt – zu 10 Millionen Kairoern kommen noch mal 9 Millionen Menschen in Gizeh hinzu – löst sie das Problem sicherlich nicht.

Trotzdem, ich bin froh, dass wir die letzten Tage in Ägypten hier verbracht haben. Die Stadt hat viel zu bieten, das Ägyptische Museum und die historischen Viertel sind toll, wir haben hervorragend gegessen und bei sehr freundlichen Menschen gewohnt. Aber jetzt muss der Staub aus den Lungen. Komm, wir fliegen nach Namibia!

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