Was die Leute so meinen

Ich bin im schönen Laos angekommen. Zumindest körperlich, mental bin ich noch nicht ganz da und es läuft auch noch nicht rund. Deswegen lasse ich es erstmal, etwas zu Luang Prabang zu schreiben, es würde dem wunderschönen Ort wahrscheinlich nicht gerecht werden.

Stattdessen möchte ich heute mal ein paar Worte über Reisebewertungen verlieren und welche Macht die entsprechenden Portale in den letzten Jahren bekommen haben.

Geht Euch das auch so? Ihr wollt ein neues Restaurant austesten und schaut erst mal im Internet nach, was andere Leute darüber sagen? Und ändert Eure Pläne danach wohlmöglich sogar? Oder Ihr habt Euch ganz furchtbar über einen Kellner geärgert und gebt jetzt mit leichtem Vergnügen eine schlechte Bewertung auf Yelp oder wo immer ab?

Individuelles Reisen in Zeiten des Internets hat sich grundlegend verändert. Früher habe ich selten ein Hotel vorgebucht. Maximal eine Empfehlung von Freunden oder eines guten Reiseführers und dann auch nur, wenn ich zu einer ungewöhnlichen Zeit an meinem Zielort ankommen würde, konnten mich dazu bringen. Vorher angucken war die Devise und die Wanderung mit schwerem Gepäck durch die heißen Straßen südostasiatischer Städte sind mir in guter Erinnerung.
Heute ist das alles nicht mehr notwendig, ein Blick in Tripadvisor oder booking.com und schon glaubt man zu wissen, was einen erwartet. Und wenn es schief geht und man mit seiner Meinung über ein Hotel vom Mainstream abweicht, eröffnet das Portal auch noch umgehend die Möglichkeit zur Satisfaktion: die eigene Bewertung.

Das hat alles sein Gutes und sein Schlechtes. Einerseits findet man doch recht häufig sehr nette Unterkünfte, die beim eigenen Trip von Hotel zu Hotel vielleicht verborgen geblieben wären. Zudem ist es ja auch angenehm und bequem, vom Bahnhof oder Flughafen sofort die gebuchte Unterkunft ansteuern zu können. Und: seit es Bewertungsportale gibt, ist man den Hoteliers meist nicht mehr hilflos ausgeliefert. Eine gute Bewertung ist häufig fast wie eine Lebensversicherung für Unterkünfte und die Angst vor schlechten Bewertungen verhindert meist, das man mit einer Besenkammer oder überraschenden Zusatzkosten beglückt wird.

Allerdings sorgen Buchungsportale auch dafür, dass man schneller mal mehrere Nächte bucht. „Diese Unterkunft wird voraussichtlich in den nächsten 24 Stunden ausgebucht sein“ ist so ein typischer Spruch bei booking.com, der bei mir dann doch immer wieder dafür sorgt, mir die gut bewertete Unterkunft für mehr als eine Nacht zu sichern. Und ich manchmal dann eine Pleite erlebe wie heute. Oder andersrum: ich ging auf die Suche nach einer neuen Bleibe, tatsächlich wieder so wie in alten Zeiten, das Haus sah von außen nett aus, ich ließ mir ein Zimmer zeigen, fand es schön, verhandelte den Preis – eigentlich alles gut. Danach schaute ich dann auf Tripadvisor nach und die Kritiken waren so verheerend, dass ich mich gegen die Unterkunft entschied. Man kommt halt doch nicht raus aus dem Schwarm…

So langsam bin ich ein Bewertungsprofi geworden und das aus unterschiedlichen Gründen: entweder war mir eine Unterkunft so sympathisch, ein Restaurant so hervorragend, dass ich sie unbedingt unterstützen möchte. Ein Paradebeispiel ist das Sin Yaw Restaurant in Nyaung Shwe in Myanmar – so nette Menschen, so gutes Essen, dieses Restaurant muss dieser Welt bitte für immer erhalten bleiben. Oder aber es war furchtbar schlecht, dann kann es bei mir zwei unterschiedliche Motivationen geben: ich will, dass es wieder gut wird (zum Beispiel das Ganesha West in Stuttgart, einst einer meiner Lieblingsinder) oder ich will schlicht und ergreifend Rache, die Idioten mit ihrer Masche nicht durchkommen lassen und andere davor bewahren.

Dies passierte mir heute hier in Luang Prabang mit meiner Unterkunft und der einzige Grund, warum ich den Eigentümer nicht vor Ort unflätig beleidigt habe war, dass ich mich bereits auf meine Bewertung im Internet freute.
Ein für mich absolut unverständlich hochgelobtes Guesthouse (ich nenne hier natürlich sehr gerne auch den Namen: Manichan Guesthouse in Luang Prabang), ein überteuertes Zimmer, in dem die Farbe von den Wänden bröckelte, Lärm von allen Seiten und das nach einer durchwachten Nacht auf der Reise von Bali nach Laos – hier kann ich keine zweite Nacht bleiben. Uns ist es auf unserer Reise zwei Mal passiert, dass wir vorzeitig aus einem Hotel wegwollten, immer war heftiger Lärm der Grund und beide Male akzeptierte die Unterkunft, dass wir nicht weiter bleiben wollten, indem sie auf die Zahlung der nichtgenutzten gebuchten Nächte verzichteten. So jedoch nicht der unsympathische Amerikaner, der das Manichan Guesthouse betreibt. Seine Arroganz war nur dadurch zu ertragen, dass ich ihm sagte, ich würde für die nichtgenutzte Nacht zahlen – und über meine Erfahrungen großflächig berichten. Ob es ihn kratzen wird, das weiß ich nicht, aber es war sooooo schön, das nächste Café anzusteuern und einen entsprechenden Kommentar für Tripadvisor zu schreiben. Hey, dieses Hochgefühl könnte noch intensiviert werden, wenn jemand meinen Kommentar auf Tripadvisor als „Hilfreich“ markiert. Sind schon sehr niedrige Instinkte, die da zum Vorschein kommen, ich weiß 🙂

Dann nehme ich jetzt mal den zweiten Anlauf, Luang Prabang zu genießen. es wird mir gelingen, da bin ich ganz sicher. Ausgeschlafen und mit einer Unterkunft, in die ich gerne zurück komme, wird Laos bestimmt ein Highlight meiner Reise werden.

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