Kein Schiff wird kommen

Krabi war einer dieser seltsamen Orte, die ich nicht verstehe. Ich hatte eine Unterkunft am Strand etwa 25 km westlich der eigentlichen Stadt gelegen und vermutlich war diese Gegend im Vergleich zu anderen hier tatsächlich ein eher ruhigerer Ort. Aber schon der Start, also die Fahrt vom Flughafen zum Hotel bereitete mir Magengrummeln. Für eine vergleichbare Strecke hätte ich an Orten mit wenig Tourismus nur einen Bruchteil gezahlt. Damit ich richtig verstanden werde: 800 Bath sind etwa 20 Euro, also nicht die Welt. Und wenn ich andernorts dafür 400 gezahlt hätte, dann wäre das immer noch mehr als für Einheimische, aber realistisch gewesen. Doch in Orten wie Krabi, da herrschen andere Gesetze, nämlich jene, die die für hier typischeren Touristen zulassen und fördern. Es sind jene, die sich gar nicht erst die Mühe machen, sich mit den Gegebenheiten im Lande auseinanderzusetzen, jene, die auch ohne auf die Verhältnismäßigkeit zu schauen, für eine Nacht in einem Ressort (mit zugegebenem hohen Standard) 270 Euro hinblättern, also etwa 75% eines durchschnittlichen Monatsgehalts eines Thailänders.
In solchen Orten gerät nach und nach alles aus den Fugen und so verwundert es fast schon nicht mehr, dass sich einem hier am Strand auch als erster Eindruck ein praktisch nackter europäischer Frauenleib entgegenstreckt. In dieser Gegend Thailands leben mehrheitlich Moslems -wie ist das doch gleich mit der mangelnden Integrationsfähigkeit und dem fehlenden Respekt gegenüber der „Mehrheitskultur“?
Und ganz klar bekommt man hier auch überall die ganze Palette der westlichen Populärküche angeboten. Das wäre ja noch hinnehmbar, wenn es denn auch original thailändisches Essen gäbe. Aber das zu finden ist hier nicht ganz einfach, denn das, was da allenthalben noch auf der Karte steht, das wurde dem 08/15-wischiwaschi-buäh-mir-ists-zu-scharf-Geschmack der Klientel angepasst.
Also was bleibt da? Die Flucht!
Aber eine Bemerkung noch: Die Landschaft, die ist hier wirklich schön. Der Strand ist ewig lang und überall sind die steil nach oben schießenden und dicht bewachsenen Kalkfelsen zu sehen, die für die Gegend typisch sind.
Ich jedenfalls zog weiter und musste dafür den Wecker um 05:15 klingeln lassen. Ein Wagen brachte mich zum Busbahnhof, wo ich eine Stunde vor Abfahrt des Busses bereits eintraf. Der Eigentümer des Nachbarhotels hatte mich am Abend zuvor etwas verunsichert. Mir war klar, dass es nur zwei oder drei Fahrten von Krabi ins etwa 330 km entfernte Ranong nahe der burmesischen Grenze gibt. Er meinte jedoch, dass es gut sein könne, dass es keine freien Plätze mehr gäbe. Dann hätte ich mit Umsteigen das Ziel zwar auch noch erreicht, wohl aber erst nach Ablegen der letzten Fähre zur Insel Koh Phayam, meinem eigentlichen Ziel.
Doch, wie so oft, war alles kein Problem und genug Plätze frei. Der Bus war bei der Abfahrt sogar zu 2/3 leer. Ich fragte die Ticketverkäuferin noch, wie lange die Fahrt dauern würde. Fünf Stunden, antwortete sie.
Pünktlich um 08:30 Uhr fuhren wir los -und blieben auch schon wieder wenig außerhalb des Busbahnhofs am Straßenrand stehen. Fahrer und Kontrolleur telefonierten leicht hektisch und nach zwei Minuten wurde klar, warum die Abfahrt unterbrochen wurde. Ein Pick-up fuhr mit zwei älteren Franzosen auf unseren Bus zu, spuckte diese aus und schon flitzten sie in unseren Bus hinein -verschlafen oder was??
Keiner regt sich auf oder wundert sich. Alles normal.
Und ja, es sollten noch viele Halts auf der Route folgen, denn offenbar schätzt man den Komfort, an der dem Heim nächstgelegenen Kreuzung zur Hauptstraße aufgelesen zu werden. Offizielle Haltestellen gibt es nur in den größeren Städten und so erfolgt auch der Ausstieg auf Zuruf. Dadurch wurden aus den angekündigten fünf Stunden Reisezeit schließlich sechseinhalb. Ich fühlte mich an die Deutsche Bahn erinnert…
Während der Fahrt waren mir ein paar Besonderheiten aufgefallen, Verhaltensweisen, die so bei uns eher nicht vorkommen. Einmal ist es so, dass sich die Einheimischen absolut selbstverständlich zu anderen Menschen dazusetzen. Das tun sie selbst dann, wenn sie unter 30 Doppelsitzbänken 20 unbesetzte vorfinden. Nicht, dass sie es zwangsläufig auf ein Gespräch abgesehen hätten. Es scheint einfach gar nicht in ihren Überlegungen zu existieren, dass ein Platz alleine, ohne Nachbar von besonderem Interesse sein könnte.
Andererseits habe ich aber auch beobachtet, wie sich zwei Frauen, die sich offensichtlich kannten, direkt auf die Fensterplätze hintereinander setzten und so die ganze Fahrt über relativ laut miteinander kommunizierten, ohne sich dabei ansehen zu können. Die Plätze neben ihnen waren leer. Selbst als sich dann dort jemand hinsetzte, der Zeitpunkt zu dem man sich bei uns dann spätestens doch zusammengesetzt hätte, weil einem ein bekannter Nachbar lieber ist als ein fremder, blieben sie bei ihrer den Bus unterhaltenden Tandemkommunikation. An der störte sich auch keiner.
Ankunft 15:00 Uhr, also noch eineinhalb Stunden Zeit bis zum letzten Fährboot. Selbstverständlich ließ ich die teuren Taxiangebote im Busbahnhof links liegen, hatte ich doch zuvor im Internet gelesen, dass es außerhalb Sammeltaxen gäbe. Also habe ich mich auf die Suche begeben und erhielt schließlich von einer freundlichen Frau die Information, dass die blauen Wagen zum Pier fahren würden. Als dann schließlich eines vorbei kam, da war es schon ganz gut besetzt, so dass ich meinen viel zu schweren Rucksack auf das Dach des Gefährts wuchtete und mich ins Innere zu den anderen auf die Holzbänke gesellte. 10 Bath kostete die Fahrt und um 15:35 war ich an der Ablegestelle.
Vermutlich war es Respekt zollend, doch trifft es mich ja dennoch: Ein leicht pummeliges Mädchen kam aus einem Schuppen des Ticketverkaufs und sprach mich mit „Papa“ an. Aaaah!!!
Aber es sollte noch dicker kommen…
Ich sagte, ich wolle gerne eine Überfahrt für die 16:30 Uhr Fähre buchen. Und sie erwiderte, es gäbe keine Fahrt um 16:30 Uhr.
Aber sicher Mädchen. Ich weiß es genau! Das hat mir nämlich mein Hotelmanager von der Insel zugemailt.
Dann betritt ihr leiblicher Vater die Szenerie und erklärt: Ja, ja -da hast Du schon recht. Eigentlich fährt ein Boot um 16:30 Uhr. Doch:

‚Kein Schiff wird kommen.
Und Deinen Traum erfüllen
Und Deine Sehnsucht stillen
Die Sehnsucht dieser Nacht.

Denn dieses Boot, das hat einen Maschinenschaden und fährt erst morgen wieder.
Ätschbätsch.
Mist. Und jetzt?
Ich rufe den Hotelbesitzer an und vergewissere mich bei ihm, dass ich hier keinen Gaunern aufsitze. Aber es scheint alles mit rechten Dingen zuzugehen. Ich frage noch nach einem Hoteltip für Ranong und er nennt das Hotel „The B“. Ok. Zurück zur Hauptstraße und dieses mal das rote Sammeltaxi. Der Fahrer versteht erst nicht, wohin ich möchte und so verfolge ich auf meinem Handy die Fahrtroute, bereit am nächsten zum Hotel gelegenen Punkt Stop zu rufen. Doch da entlässt er nach zehn Minuten Fahrt alle anderen Fahrgäste, da eine Hauptstraße gesperrt ist. Mich lässt er sitzen und deutet mir an, dass er nun weiß, wohin ich möchte. Er umfährt die Sperrung und gibt mir eine Exklusive Fahrt bis zum Hotel. Sehr gut. Genau wie das Hotel selbst auch.
Nach einer kurzen Entspannungspause mache ich mich auf, den Nachtmarkt zu erkunden, der heute im Zeichen des chinesischen Neujahrsfestes steht. Viel Kleidung und allerlei möglicher Haushaltswahren wurden angeboten, dazwischen natürlich viele Essensstände. Eine Art Crêpe-Omelette-Mischung mit allerlei Zutaten probiere ich -köstlich!
Schließlich biege ich in den Innenhof einer Schule ein. Hier zeigen die Schüler ihre lange einstudierten Tanzdarbietungen. Am lustigsten sind die Knirpse, die eine wahre show abziehen. Sehr nett!!
Schließlich setze ich mich noch in ein Restaurant und esse eine sehr scharfe Suppe mit noch schärferem Papayasalat. Puh!

Am nächsten Morgen klingelt der Wecker wieder, dieses mal um sechs. Das Frühstücksbuffet hält für mich Honigtoast, Cornflakes und Obst bereit. Ich gestehe: Hier bin auch ich nur bedingt integrationswillig und lasse die thailändischen Speisen links liegen.
Dann Fahrt zum Pier: Hello again! Um 8:30 Uhr ist hier schon einiges los und um fünf vor neun beginnt das Boarding. Ca. 30 Passagiere werden auf ein kleines Sport-Motorboot gelassen. Es werden marode und viel zu enge Rettungswesten ausgegeben und darauf bestanden, diese überzustreifen. Dann geht es los. Erst langsam im Hafenbereich und den Flusslauf entlang und dann schneller werdend ab dessen Mündung in das Meer. Das Boot schlägt immer wieder hart auf der Wasseroberfläche auf. Seeadler kreisen über uns, einer passiert uns mit einem Fisch zwischen den Greifern. Nach einer dreiviertel Stunde legen wir an.
Auf Koh Phayam gibt es keine Autos und so lasse ich mich von den hier üblichen Motorradtaxen fahren. Ein Motorroller, darauf zwischen Lenker und Fahrer eingeklemmt mein Rucksack. Dann der Chauffeur und schließlich ich. Die Fahrt ist nicht lange, doch ist sie schön durch das saftige tiefe Grün der Insel.
Ich bin angekommen!
Geschafft.

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