Can’t get no sleep

Ich kann nicht schlafen

Was ist los?
Warum bin ich nicht müde?
Auf Kho Phayam, der Insel auf der ich fünf Tage verbrachte, da hätte ich es ja verstehen können. Dort hatte ich in einer Hütte gewohnt, in der es keine Klimaanlage hatte, sondern einen einfachen Ventilator. Der hatte aber selbst auf Stufe drei keine Chance, das sehr dicht gewobene Moskitonetz zu durchdringen, das mir zwar einen Schutzraum vor den blutsaugenden Plagegeistern in der Nacht bot, mir andererseits aber auch schweißtreibende Stunden bescherte.
Strom gab es immer nur zwischen 18:00 Uhr und 06:00 Uhr. Er wird von einem Dieselgenerator erzeugt, der mich in den ersten drei Nächten zusätzlich zur Hitze vom Schlaf hätte abhalten können. Doch war das alles kein Problem. Im Gegenteil: Ich war regelmäßig um halb zehn Uhr so müde, dass ich spätestens um 22:00 Uhr im Reich der Träume weilte.
Und jetzt? Zurück auf dem Festland? Zurück in Ranong, der Stadt an der Grenze zu Burma? Und zurück in „The B“, dem coolen Hotel, das so wirkt, als sei es in einer ehemaligen Fabrik erstellt worden?
Hier trocknet die Klimaanlage die tropisch feuchte Luft. Kein Tröpfchen Schweiß auf meiner Haut, keine Kakerlaken beim nächtlichen Gang auf die Toilette und dennoch bekomme ich kein Auge zu.
Irgendetwas ist im Gange!
Irgendetwas stimmt nicht!
Ich habe keinen Hunger!!
Und was hatte ich heute zu essen? Ich kann mich kaum erinnern. Ich bin so geschwächt. Lasst mich nachdenken -meine letzte Mahlzeit liegt 16 Stunden zurück. Es war das Frühstück! Nach und nach erscheint es wie ein Traum vor meinen Augen.
Es war gut!
Und ich hatte einen Bärenhunger.
Ein Haferflockenmüsli mit Obst und lecker Milch!
Ich glaube, ich liege im Fieber und es ist eine Erinnerung von zuhause…
Ich verputze das Müsli restlos. Und dann kommt ein Omelette dahergeschwebt.
Ein saftiges Omelette mit Zwiebeln und Pilzen und verschiedenen Käsen und dazu zwei Scheiben Vollkorntoast. Schnell rein mit Dir in meinen Magen, bevor mich dieser Traum verlässt!!
Aber nein! Es war so. Ich habe es alles so gehabt, im Cha Chai -so heißt das open-air Restaurant auf meiner Insel. Es gibt hier ausschließlich vegetarische Küche. In der Speisekarte werden 99 Gründe für die Fleischlosigkeit genannt. Ich habe nur eine einzige Missetäterin erwischt, die sich davon nicht überzeugen ließ: die süße kleine Katze. Sie biss immer wieder herzhaft in die Echse, die bereits vergeblich versucht hatte, ihr Leben für ihren Schwanz zu tauschen. Während wir Menschen unser höheres Sein durch wirklich köstliche Enthaltsamkeit demonstrierten, folgte das Schmusetier seinem grausamen Jagd- und Spieltrieb. Schau mich an, Pusy Cat! Vielleicht schaffst Du es in einhunderttausend Jahren ja auch noch!
Oh, ich fantasiere. Ich schwöre: Dies war meine einzige Mahlzeit heute! Zwei geeiste Kaffee und eine Cola noch. Mehr war da nicht. Ich hatte keinen Hunger mehr. Etwas stimmt also nicht.

Ich kann nicht schlafen.
Ich weiß genau ich kann es!
Nach drei Nächten gab mir Lek, mein Hüttenwirt, einen Upgrade.
Ich hatte es geschafft! Der Durchbruch! Ich durfte raus aus Hütte zehn und damit weg vom Generator. Und als wäre dies nicht genug, nein! Lek, welch Traum, ich bekam die 6! Danke Lek! Lakeview! Ein Volltreffer!!
Nein, nein, geneigter Leser -nicht jedem wird dieses Privileg zuteil. Ich hatte es geschafft, hatte Leks Vertrauen gewonnen, fühlte mich geadelt wenn er mich mit seinem thailändischen Akzent ‚Äric‘ rief. Gute alte Freunde!
Noch nicht einmal der Holländer hatte das geschafft.
Nein!
Der Holländer, der sich seit Ende Oktober wahrhaft dafür abgestrampelt hatte, hierher zu Lek an den Lake zu kommen. Gemeinsam mit seiner Frau war er in China mit dem Tandem gestartet und hatte schon über 4.000 km auf dem Gesäß. Und dennoch mussten sie in letzter Reihe in den bescheidenen Bambushütten ihr Dasein fristen. Mit Tandem.
Wie es aber die britische Familie nach Nummer vier und damit neben mich geschafft hat, das wird für immer ein Mysterium bleiben.
Anfangs, als ich die Drei das erste Mal am Abend registrierte, da hatte ich ein wenig Mitleid für das kleine Mädchen empfunden. Es war so fröhlich und tanzte herum -leicht übergewichtig in seinem rosa Tüllkleidchen.
Es ist 01:45 Uhr in der Nacht. Ich fantasiere. Ich sehe rosa Elefanten. -Streicht den letzten Satz bitte.
Aber was jetzt kommt, das stimmt ganz in echt:
Mama, nennen wir sie Brittanie, hustete sich von morgens fünf die Seele aus dem Leib. Ich fühlte mich erinnert an meine Zeit im Lungenkrankenhaus, in dem die krebskranken alten Männer die selben Laute von sich gaben und vernünftiger Weise dennoch auf der Toilette heimlich ihre Zigarren rauchten.
Mein Mitleid für das Mädchen wandelte sich. Das arme kleine Ding. Ist dies die letzte gemeinsame Traumreise einer bald nur noch zweiköpfigen Familie? Wird hier gerade ein letzter Wunsch erfüllt?
Aber nein! Fast schon überglücklich und erleichtert konnte ich dieses trübsinnige Szenario beerdigen.
Denn Brittanie schien nur in einem Frauenkörper gefangen zu sein. Bald schon gesellte sich zu dem tiefen Röcheln auch ein Gerotze und Ausspeien und Konversatzion wie durch das MEGAFON hinzu und mit einmal erstrahlte die Welt wieder in voller Blüte -Brittanie hatte nur eine schlechte Kinderstube!
Oder aber einen chinesischen Papa.
Eric!!
Pfui!
Halte an Dich! Komme zu Dir! Versuche Dich zu erinnern. Das alles -es sind die reinen Hungerhalluzinationen.
Denke an was Schönes.
Ja, Du Stimme aus dem Licht. Du hast recht.
Oh, ein Seeadler. Zwei, drei -nein viele! Dazu ein Eisvogel. Und da! Ein Schwarm von Hornbills boaaaah, sind die aber toll. Die haben aber einen großen Schnabel.
Und das Meer!
Der Strand!
So weit und so leer.
Schau mal: Ich gehe auf dem Meeresgrund -wo ist all das Wasser hin? Ist da am Horizont das große Seeungeheuer, das alle sechs Stunden das Wasser verschluckt?
Bestimmt! Das muss es doch auch. Denk doch mal nach! Jeden Abend muss es ja auch den leuchtend roten Feuerball fressen, der da immer vom Himmel fällt. Und da bekommt es halt ganz großen Durst.
Aber pssst!! Nix erzählen! Da auf der Insel, da ist es gar nicht schön.
Braucht Ihr gar nicht hin!
Da ist nix.

02:38 Uhr. Ich kann nicht schlafen.

Ein Kommentar

  1. Vielen Dank für deinen Artikel. Klingt allerdings als hätten eine Klimaanlage und ein stiller Schlafplatz doch Wunder wirken können. Viel Spaß bei deinen weiteren Abenteuern.

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