Ausgeyogt

Nun bin ich also in Ubud, dem künstlerischen Zentrum Balis. Wobei Kunst hier eher relativ ist, das traditionelle Kunsthandwerk ist beeindruckend, was die vielen Läden anbieten weniger. Viele fühlen sich zum Maler berufen und scheinen die urlaubliche Verklärtheit der Touristen ausnutzen zu wollen. Die schönen Reisfelder rings um das Städtchen und die günstigen Unterkünfte haben über die Jahre eine sinnsuchende Klientel angezogen und so wurde Ubud auch zu einem Zentrum für Yoga und Spiritualität. Und dann kam noch „Eat, Pray, Love“ und der Kessel war geflickt.

Also tauche auch ich mal in die Szene ein, verlasse nach einer Woche meinen schönen Holzbungalow in den Reisfeldern und ziehe in ein freundliches Guesthouse in der Stadt. Der absolute Marktführer ist die „Yoga Barn“ mit einem riesigen Angebot vor allem an Yoga und Meditationen. Inklusive Restaurant mit allem, was gerade in ist in der Szene – vegan, glutenfrei, raw food, wheatgrass und und und. Das ganze ist perfekt organisiert, an einer großen Rezeption kaufe ich mir eine 5er-Karte, mir wird ein IPad entgegengestreckt, um meine Daten einzutragen und kriege dann eine aufgeladene Scheckkarte. Zum Einstieg teste ich Yin Yoga aus und betrete einen riesigen Saal mit zum Schluss sicherlich über 100 Leuten. Der Yogalehrer erfüllt alle Klischees – von den Rastalocken über das wild hineingeschlungene Tuch bis hin zur einfühlsamen Stimme. Aber er ist nicht allein, in der Ecke sitzt ein Musiker mit einem elektronischen Cello, eine feenartige Querflötistin hat neben ihm Platz genommen. Noch halte ich das Ganze eher für Yoga-Disneyland. Bilder von meinem Aufenthalt in einem Ashram in Rishikesh gehen mir durch den Kopf, die schlichte Halle, in der ich nach der frühmorgendlichen Stunde schweißgebadet und mit schmerzenden Schultern Richtung Basic-Unterkunft marschierte. Das ist doch das wahre Yoga. Immer diese westliche Yogaverweichlichung… Und dann beginnt der Kurs und ich muss zugeben, nach fünf Minuten bin ich dann doch sehr ergriffen. Die sphärische Musik, der schöne Saal mit riesigen Fenstern in den sattgrünen tropischen Garten, die spirituelle Atmosphäre und das sehr lange Halten von Yogapositionen – das tut einfach gut. Westlich hin oder her.

In den folgenden Tagen teste ich aus, was das Angebot hergibt. Ich hänge an Gurten kopfüber in der Luft („Fly high Yoga“), singe inbrünstig Mantras beim Kirtan, verausgabe mich beim Vinyasa Flow, erhole mich inmitten tibetischer Klangschalen und beobachte das Yogaleben. Leute über 30 sind hier eher selten, die Yoga Barn ist voll in der Hand der Generation Z und die ist ja besonders gesundheitsbewusst. Und so finde ich mich an einem Sonntag Vormittag beim „Ecstatic Dance“ wieder und bin dann doch erstaunt, zu welchem Spaß man nur mit Ingwertee und organischem Müsli in der Lage ist. Es sind schon witzige Typen unter dem Publikum, so wie die schöne Russin, die beim Yin Yoga neben mir liegt und die Aufforderung des Lehrers, man möge so richtig entspannt ausatmen und dabei auch ruhig ein bisschen stöhnen, sehr brav befolgt. Sie gibt Geräusche von sich, die einen kurz bevorstehenden Orgasmus befürchten lassen. Ich schaue kurz hin, sie hat beschlossen, die anstrengenden Yin-Posen durch entspanntes Sitzen, anmutige Handbewegungen und eben dieses Stöhnen zu ersetzen. Ich unterdrücke ein Kichern, schon beim Ecstatic Dance hatte ich gemerkt, dass es den Youngsters hier nicht nur um Yoga, sondern durchaus auch um Zwischenmenschliches geht.

Aber ich falle ja zum Glück aus der relevanten Zielgruppe und kann mich so ganz dem Wellness-Erlebnis hingeben. In Ubud werden an jeder Ecke Massagen angeboten und so kommt zum wohligen Stretching-Erlebnis auch noch ein kräftiges Durchkneten mit duftigen Ölen. Hier kann man sich wirklich wohl fühlen. So manch einer findet gar nicht mehr den Absprung, im Guesthouse treffe ich auf eine Münchnerin, die seit zwei Jahren hier lebt. Im Hotel wohlgemerkt. Aber bei den Preisen, dem schönen Pool und den sehr netten Leuten ist das auch wieder nicht so vollkommen aus der Welt.

Aber, mich zieht es weiter. Australien ist quasi gleich um die Ecke und ich habe doch tatsächlich die Möglichkeit, für zwei Wochen zur House- und Hunde-Sitterin in Darwin zu werden. Wer weiß, wenn die Muskeln ziehen, kann ich immer noch auf dem Rückweg einen Zwischenstopp im schönen Bali einlegen.

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